Nikolaus

Der Heilige Nikolaus

Nur begrenztes Wissen über sein Leben


Vom Leben des hl. Nikolaus ist nahezu nichts bekannt. Fest steht lediglich, dass er tatsächlich gelebt hat und dass er Bischof von Myra gewesen ist. Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb ist Nikolaus zu einem der am meisten verehrten Heiligen geworden. Wer Nikolaus als Person aber tatsächlich gewesen ist oder was er in seinem irdischen Leben konkret Großes vollbracht haben mag, entzieht sich dem geschichtlichen Zugriff. Vieles von dem, was man verbreitet über den heiligen Nikolaus lesen kann, entstammt späteren Zuschreibungen vorwiegend aus dem 9. und 10. Jhd.

Zeitliche Einordnung



Die Person des Nikolaus ist historisch nicht zu fassen. Fassen hingegen lässt sich eine unter den Einwohnern jener kleinasiatischen Provinz Lykien bereits im 6. Jhd. weit verbreitete und tief reichende Verehrung für diesen Mann, der – so die heute vorherrschende Meinung – wohl im ausgehenden 4. oder frühen 5. Jhd. tatsächlich gelebt hat und damals Bischof von Myra gewesen ist.   weiter

Nikolaus ist nach seinem Tod auf einer christlichen Grabstätte unmittelbar außerhalb des Ortes südlich von Myra bestattet worden, an der Straße von Myra nach Andriake gelegen. Die Grabstätte, die mit einer als Martyrion bezeichneten Stätte überbaut worden und zentraler Bezugspunkt für die Nikolaus-Verehrung geworden ist, wird in der Vita eines gewissen Nikolaus vom Sionskloster, der im 6. Jhd. gelebt hat, erwähnt und ist somit für die Zeit um 530 belegt. Dieses Martyrion wurde durch ein Erdbeben im Jahr 529 stark beschädigt, was schließlich zum Neubau einer dreischiffigen Basilika führte, welche im 8 Jhd. zerstört und wiedererrichtet wurde.

Ebenfalls in der Vita des Nikolaus vom Sionskloster bezeugt wird eine Provinzsynode der Bischöfe Lykiens am »Rosalienfest des heiligen Nikolaus«. Zu jener Zeit war also die Verehrung für den heiligen Nikolaus in Lykien bereits in der Kirche derart etabliert, dass ein fester Gedenktag begangen wurde und dass die Bischöfe der Provinz ebenda ihre Synode abhielten.

Außerhalb Lykiens ist die Nikolaus-Verehrung im 6. Jhd. insbesondere in der Hauptstadt Konstantinopel zu belegen. Dort ließ Kaiser Justinian I. ein Heiligtum zu Ehren der heiligen Priskos und Nikolaus errichten. Spätere Nennungen kennen allein noch Nikolaus als Titel dieser Kirche. Die Nikolaus-Kirche befand sich im Blachernenviertel im Norden Konstantinopels.

Ein wesentliches Zeugnis für die lokal bereits etablierte Nikolaus-Verehrung stellt die Erzählung von der Errettung der drei Offiziere dar, die meist nur als die »Prãxis« d.h. die »Tat« des Nikolaus bezeichnet wurde. Die Überlieferung der »Prãxis« ist im ausgehenden 6. Jhd. bei Eustratios von Konstantinopel belegt.

Für das 6. Jhd. ist die Nikolaus-Verehrung also in Lykien und in Konstantinopel belegt. Die Lebenszeit des heiligen Nikolaus muss daher um einiges früher anzusetzen sein. Bis auf die Zeit Konstantins wird man allerdings nicht zurückgreifen können. Die Kleinstadt Myra ist erst im Laufe der Christianisierung der Provinz Lykien zum Sitz einer Ortskirche geworden. Zunächst gab es innerhalb Lykiens einen Bischof in Patara, dessen Teilnahme am Konzil von Nikaia 325 auch belegt ist. Am I. Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 aber nahmen bereits mehrere Bischöfe aus Lykien teil, auch der Bischof von Myra. Provinzbischöfe in der Antike waren von der Größe ihrer Diözese sowie von ihrer Hirtenaufgabe her etwa mit dem Leiter eines heutigen Pfarrverbandes zu vergleichen.

Dass Ortsbischöfe als Heilige verehrt wurden, stellt eine Entwicklung in der Heiligenverehrung im späten 4. Jhd. dar. Diese Entwicklung vollzog sich in mehreren Schritten von der Verehrung der Märtyrer über die Verehrung von Asketen (unblutiges Martyrium) bis zu den Bischöfen.

Die Erzählung von der Errettung der drei Offiziere bezeichnet Lykien als Provinz (Eparchίa); diesen Status hat die Region erst unter Theodosius II. (408-450) erlangt. Weiterhin wird in der Erzählung der Aufstand der Taiphalen als Grund der Reise der drei Offiziere angegeben. Der germanische Volksstamm der Taiphalen hat im Kontext der Völkerwanderung zusammen mit den Goten erst im Jahr 386 die Donau nach Süden überquert. Dabei wurden die Taiphalen aufgehalten und von Römischen Truppen im Kampf geschlagen. Die verbliebenen Angehörigen dieses Volksstammes wurden in Phrygien angesiedelt. Dort hat es im Jahr 399 schließlich einen größeren Aufstand der angesiedelten Goten gegeben, denen die Taiphalen zugerechnet werden und worauf die Erzählung anspielt. Dieser fand somit lange nach Konstantins Herrschaftszeit statt, war aus der Perspektive zur Entstehungszeit der Erzählung aber wohl bereits so lange vergangen, dass ein Zusammenhang mit der Herrschaftszeit Konstantins nicht unplausibel erschien.

Insgesamt ist auf Basis der zeitlichen Abgrenzungen nach vorne sowie nach hinten am plausibelsten davon auszugehen, dass Nikolaus nicht bereits Anfang des 4. Jhd., sondern eher Ende des 4. oder Anfang des 5. Jhd. Bischof von Myra gewesen ist.

unbekannte Biographie



Nicht eine bestimmte Episode im Leben des historischen Menschen Nikolaus, nicht bestimmte bedeutsame Werke während seines irdischen Lebens oder ein besonders asketischer oder tugendhafter Lebenswandel sind auszumachen, warum ihm die Verehrung eines Heiligen zugewachsen ist. Festzustellen ist jedoch auch, dass schon bald nach seinem Tod eine Heiligenverehrung für Nikolaus begann, und zwar mit seinem Grab als Bezugspunkt. Biographische Daten sind jedoch nicht zu fassen. Ob sich also Nikolaus als Bischof z.B. erfolgreich für unschuldig Verurteilte eingesetzt hat, lässt sich historisch nicht sagen.

Spätere Zuschreibungen



Verbreitet finden sich allerlei »Informationen« zum Leben des Nikolaus, die historisch jedoch nicht zutreffend sind. Diese wurden Nikolaus erst in späterer Zeit zugeschrieben.

a) Die unzutreffende Zuordnung zum Zeitalter Kaiser Konstantins gründet auf einer vordergründigen Lesart der Erzählung von der Rettung der drei Offiziere. Die Erzählung spielt auf der Handlungsebene tatsächlich zur Zeit Konstantins, wurde jedoch erst deutlich später verfasst und ist auch nicht als Zeugnis für eine Episode aus dem irdsischen Leben des Nikolaus verfasst. Der Text spiegelt die Verhältnisse aus der Regierungszeit des Kaisers Justinian I. (527-565), was sich u.a. an der starken Stellung des Bischofs im gesellschaftlichen Gefüge der hellenistisch geprägten byzantinischen Polis zeigt. Erst zu dieser Zeit haben die Bischöfe als staatliche Beamte die Macht erhalten, ein unrechtmäßig ergangenes Urteil aufzuheben und die Hinrichtung zu verhindern. Seit Justinian konnten Bischöfe bei Rechtsbeugung durch Provinzpräfekten eine Apellation an den Kaiser richten. Die Verortung der Erzählung im Umfeld von Kaiser Konstantin dürfte wohl am ehesten in dessen grundlegender Bedeutung für den Übergang im Römischen Reich zum Christentum begründet sein, was diesen in den folgenden Jahrhunderten wie einen christlichen Kaiser par excellence erscheinen ließ.

b) Zu den späteren Zuschreibungen gehören biographisch anmutende Angaben aller Art. Dass Nikolaus bereits in jungen Jahren in klerikale Ausbildung gegeben worden sei, dass er Presbyter wurde und erst später Bischof, finden sich im Enkomion Methodii aus der Zeit um 860. Während des Bilderstreits und danach hatte man verstärkt die Heiligen auch literarisch illustriert, galt doch nach antikem Verständnis die Literatur als Kunst.

c) Die Synaxarienvita aus dem späten 9. Jhd. entfaltet das Motiv der Rechtgläubigkeit: Nikolaus sei in der Verfolgung inhaftiert worden und standhaft geblieben. Der Text nimmt die Meinung des Niketas auf, 325 habe Nikolaus als Bischof von Myra am Konzil von Nikaia teilgenommen und sei gegen Arius aufgetreten.

d) Die Vita compilata (Mitte 9. bis Mitte 10. Jhd.) hat die Vita eines anderen Nikolaus, nämlich eines gewissen Nikolaus vom Sionskloster, in die Vita des heiligen Nikolaus von Myra eingetragen. Hieraus erhielten die nachfolgenden Vita-Darstellungen zum hl. Nikolaus einen biographischen Grundzug, den es zuvor nicht gegeben hatte und für den es keine historische Grundlage gibt.